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Geschrieben von easyrider am 20.06.2008 um 18:26:

  Kontrolliert wie Kriminelle?

Cancellara: Mit solchen Angaben bin ich vorsichtig. Aber letztendlich ist es nicht mein Problem: Ich bin wohl einer der meistkontrolliertesten Athleten weltweit. Ich sehe die Kontrollen als einen Teil meiner Arbeit - so lange ich mit Respekt behandelt werde. Aber prinzipiell kann es eigentlich nicht sein, dass wir stärker unter Kontrolle stehen als verurteilte "Kriminelle"...

Link von hardware: http://tour.ard.de/tdf/aktuell/interviews/cancellara_interview_20080619.htm


Was sagt ihr zu dieser Aussage von Cancellara ?

Das ist das alte ethisch- moralische Problem. Ist der Radsportler, auch im Sündenfall, wie ein Krimineller zu behandeln. Es scheint so, dass sich viele Fahrer so behandelt fühlen.



Geschrieben von Pitstop am 20.06.2008 um 19:29:

  RE: Kontrolliert wie Kriminelle?

Kontrollen müssen sein um ein halbwegs faires Sportevent abwickeln zu können. Ob man aber Athleten gleich wie Kriminelle behanden muss? NEIN!!!
Es gibt zwei Bereiche, die mich bei der derzeitigen Dopingprävention stören:
  1. Die Unschuldvermutung:
    In der zivilen Rechtsprechung ist es üblich, dass jemand als unschuldig gilt, solange die Schuld nicht erwiesen ist. Grundsätzlich muss dem Beschudigten das Vergehen nachgewiesen werden. Speziell im Radsport wird dieser Sachverhalt jedoch umgedreht. Der Beschuldigte muss beweisen, dass er unschuldig ist, was nicht immer möglich ist.

  2. Privatsphäre:
    Nach der Deutschen Rechtsprechung ist die Würde des Menschen unantastbar. Doch auch Athleten sind nur Menschen, deren Privatsphäre schon durch die Medien zu genüge durchleuchtet wird. Da muss es nicht sein, dass sie auch noch in ihrer Privatsphäre Gewehr bei Fuß stehen. Es gibt mit Sicherheit andere Methoden um ein Dopingvergehen nachzuweisen. Der Blutpass ist ein erster Schritt in diese Richtung. Einen Athleten nachts aus dem Bett zu holen oder anderweitig bei einem Familienevent zu stören, ist in meinen Augen unmöglich.



Geschrieben von easyrider am 20.06.2008 um 20:05:

 

Ja. Beides sind Knackpunkte. Die Unschuldsvermutung, wie im Zivilrecht angewendet, ist bei Sportlern durch die sogenannte "strict liability" ersetzt.

Strict Liablility :
Das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung («strict-liability») erfordert von den Sporttreibenden eine hohe Selbstverantwortung, da sie für alle verbotenen Wirkstoffe, die in ihrem Körper gefunden werden, die Verantwortung übernehmen müssen.
Die Dopingreglemente der Verbände sehen vor, dass die Sportverbände ein Dopingvergehen nachzuweisen haben. Beim Nachweis verbotener Wirkstoffe genügt es in der Regel, dass ein anerkanntes Analysenlabor diese nachweist und die Probe dem Athleten oder der Athletin zugeordnet werden kann.

Für die Sanktionierung ist dann kein Beweis für ein schuldhaftes Handeln notwendig. Es wird also nicht geprüft, ob der verbotene Wirkstoff vorsätzlich oder fahrlässig eingenommen wurde. Dieses Prinzip wird als das «strict-liability»-Prinzip, als verschuldensunabhängige Haftung bezeichnet. Im Sport ist es die einzige Möglichkeit, Dopingvergehen zu ahnden. Es wird argumentiert, dass eine Athletin oder ein Athlet, bei denen eine verbotene Substanz nachgewiesen wurde, in jedem Fall einen Vorteil gegenüber den Ungedopten hatte und somit sanktioniert werden muss. Würde dieses Prinzip nicht angewendet, könnten alle Sporttreibenden bei einem positiven Dopingbefund immer einen Sabotageakt mit dem «grossen Unbekannten» ins Feld führen. Dann stünden die Sportverbände vor der unlösbaren Aufgabe, diesen «grossen Unbekannten» überführen zu können.

Das «strict-liability»-Prinzip wurde in den letzten Jahren durch die Sportgerichte weniger streng ausgelegt. Zum Beispiel muss ein Verband einem Sporttreibenden nachweisen, dass ein positives Resultat nur durch ein Dopingvergehen und nicht etwa durch natürliche Ursache zustande kam. Deshalb werden z.B. bei einem erhöhten Verhältnis von Testosteron zu Epitestosteron zusätzliche Untersuchungen gemacht, um natürliche Ursachen auszuschliessen.

Es ist deshalb äusserst wichtig, dass die Athletinnen und Athleten die Aufgabe wahrnehmen, sich zu vergewissern, dass jedes Medikament, jedes Supplement oder jedes sonstige Präparat, das eingenommen wird, keine verbotenen Wirkstoffe enthält.

http://www.dopinginfo.ch/de/content/view/140/120/

D.h. er/sie ist allein verantwortlich.



Geschrieben von Juni am 20.06.2008 um 20:57:

 

Als Nichtbetroffener hält man vieles für zumutbar. Manche, die bei jeder bekanntgegebenen Erhöhung der Dopingkontrollen aufjauchzen würden ausflippen, wenn sie selbst diesen Kontrollen ausgesetzt wären.
Bei der Vorstellung morgens um fünf von einem ausgedienten Feldwebel
wegen einer Dopingkontrolle aus dem Bett geklingelt zu werden, krieg ich auch den Gilb.



Geschrieben von einauge am 21.06.2008 um 01:53:

 

Aus dem Cancellara-Interview sollte man aber auch folgenden Satz ganz am Ende nicht unterschlagen:

"Aber alles läuft absolut reibungslos, und es hilft allen. Insgesamt ist es so: Wenn man zeigt, dass man kooperiert, dann wird einem auch Respekt entgegengebracht."


Dopingkontrolleure sind keine Unmenschen. In der Regel sind sie sogar richtig nett. Und wenn es der Sache dienlich ist, kann eben auch 1 oder 2 mal pro Woche kontrolliert werden. Jemand, der sich gegen die Häufigkeit äußert aufgrund von Überwachungsparanoia stößt bei mir auf keinerlei Verständnis.
Sehe es aber auch so, dass der Staat, wenn er sich denn einschalten will, lieber präventiv die Dopingkontrollen intensivieren sollte, als mit gezielten und teilweise wirklich menschlich grenzwertigen Polizeiaktionen punktuell zuzuschlagen.


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